Das Haus im Park, 2015 /// Emmerich (DE)
Es ist mir eine Ehre und Freude, nach mehr als 25 Jahren, die zwischen meiner ersten Begegnung mit Barbara Schroeder und ihren künstlerischen Arbeiten bis heute liegen, diese besondere Ausstellung hier im Haus im Park eröffnen zu dürfen.
Diese Ausstellung in ihrer Heimatregion hat die aus Kleve stammende und bei Bordeaux lebende Künstlerin zum Anlass genommen, sich in eindrücklicher Weise mit Themen wie Herkunft, Heimat, Erinnerung, Schöpfung, Entwicklung und Vergänglichkeit zu befassen.
Dabei hat sie als Symbol für ihre Heimat die Kartoffel ausgewählt. Die Kartoffel, die einen Schwerpunkt der Agrikultur der niederrheinischen Ebene darstellt, hat sie damals auch in ihrem Herzen mitgenommen, als sie nach den regelmäßigen Urlauben als Kind mit ihren Eltern nach Frankreich und ihrem Kunststudium in Bordeaux die Entscheidung getroffen hatte, sich in der fernen Ebene der Gironde am Atlantik niederzulassen und eine Familie zu gründen.
Die französische Lebensart, insbesondere in der eher rauen, kargen Atlantikregion, in der z.B die schlichte Würze durch Petersilie, Knoblauch, Zitrone, Salz und Pfeffer jeden Fisch, aber auch im Herbst die Steinpilze zu kulinarischen Geschmackssensationen werden lassen, dazu der Wein und letztendlich der Sternenhimmel über der Halbinsel Cap Ferret in lauen Sommernächten ließen den Entschluss für Barbara unausweichlich werden.
Ihre Malerei war damals folgerichtig dominiert vom Thema Wein auf dem Papier von Registratur- und Rechnungsbüchern alter Weingütern, teilweise collagiert, in prächtiger Farbigkeit mit Trauben und Rebstöcken in paradiesischer Fülle. Gott in Frankreich, lebendige Stilleben.
Aber auch die Heimat beschäftigte sie weiter. So war ihre Examensarbeit zum Studienabschlusseine Serie von filigranen, kolorierten Federzeichnungen zum Thema Berliner Mauer.
Die Verbindung deutscher und französischer Kultureinflüsse in ihrer Arbeit blieb bestehen und ist auch in dieser Ausstellung von geradezu zentraler Bedeutung.
Im Jahre 2010 erhielt sie für ihren künstlerischen Brückenschlag zwischen Deutschland und Frankreich aus den Händen von Alain Juppé die Auszeichnung „Chevalier dansl’Ordre des Art et des Lettres“.
Ich habe Barbara Schroeder immer als einen sehr realistischen Menschen erlebt, der mit beiden Beinen auf der Erde steht und die wechselnden Anforderungen und Herausforderungen des Lebens meistert. Sie arbeitet hart, als Künstlerin, als Journalistin für Weinzeitschriften, wenn sie sich etwa durch tagelange Weinverkostungen kämpft (eine tatsächlich sehr harte Arbeit, muss man doch unmittelbar nach der Verkostung der besten Tropfen der Welt diesen wieder ausspucken, weil man sonst innerhalb kürzester Zeit volltrunken und beurteilungsunfähig wäre), sie ist tätig als Mutter und natürlich an der Seite ihres Ehemannes Hervé auf dem eigenen Weingut Chateau Grand Maison.
Gleichwohl bezeichnet sie sich völlig zu Recht als Genießerin. Von ihr könnte die Aussage stammen: „Das Leben ist zu kurz, um schlechtes Essen und schlechten Wein zu konsumieren“.
Damit ist keineswegs bacchantische Völlerei oder dekadente Bevorzugung kaum bezahlbarer Luxusprodukte gemeint.
Wie in ihrer Kunst findet eine konzentrierte Begegnung und Sinneserfahrung statt, in der Regel zusammen mit Menschen, die ebenfalls ihre Sinne gebrauchen und ich habe das besondere Glück sagen zu können, dass die gemeinsamen Tafeln, an denen unsere beiden Familien in den letzten 20 Jahren zusammen gespeist haben, unvergesslich in unserer Erinnerung eingebrannt sind.
Als in Frankreich erfolgreiche Künstlerin, die sich mit der Darstellung verschiedener Gemüse befasst, ist ihr die Sterneküche allerdings nicht unbekannt. So sei auf die Zusammenarbeit mit dem Drei-Sternekoch Alain Passard verwiesen, die zu einem wunderschönen Buch mit dem Titel „Pain de Terre“ (Brot der Erde) führte mit Rezepten des Sternekochs und Bildern von Barbara Schroeder.
Ihre Arbeit fokussierte sich zunehmend auf einzelne Gemüse, denen sie sich in intensiver malerischer Analyse zuwandte, sie reduzierte und abstrahierte. So gibt es Bilderserien zum Mais, zur Kastanie oder zur Artischocke.
Eine weitere qualitative Konzentration erfolgte durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Kohlgemüse. Hierbei handelt es sich ja nicht gerade um einen Topstar der Sterneküche. Der einfache Kohl als Grundnahrungsmittel, bekannt als Essen armer Leute bzw. in Krisenzeiten. Der Begriff „Kohldampf“ stammt daher, weckt Assoziationen an Hungersnöte und Lagerleben.
Durch die Darstellung und künstlerische Bearbeitung auf der Leinwand zur Kunst erhoben, wird der Kohlkopf aufgewertet, seine Bedeutung für die Ernährung und Lebenserhaltung der Menschheit angemessen repräsentiert und wahrgenommen.
Sind Mais, Kastanien, Artischocken und Kohl sehr stark in der Agrikultur der Gegend um Bordeaux vertreten, so gilt dies für die Kartoffel nicht. In Frankreich als Gemüsenicht so häufig in Menus verarbeitet, kannte Barbara Schroeder die Kartoffel aus ihrer Heimat als tägliches Grundnahrungsmittel, das sie in allen Variationen lieben und schätzen gelernt hat.
Die künstlerische Befassung mit der Kartoffel ist für Barbara Schroeder ein schier unerschöpfliches Thema.
Dies werden Sie heute in der Ausstellung erleben:
Wenn Sie durch den Eingangsbereich gehen, sehen Sie durch den Türrahmen bereits eine sehr zentrale Arbeit, die auch die Einladungskarte ziert.
Kleine weiße Päckchen, eines scheint geschnürt. Päckchen eines Adventskalenders oder symbolisch die Päckchen für die Ausstellung in der Heimat. Bei genauer Betrachtung erkennen Sie aber die ersten Porzellankartoffeln.
Ein ganzes Jahr hat Barbara Schroeder in der berühmten französischen Porzellanmanufaktur in Limoges gearbeitet und insgesamt 72 verschiedene Kartoffelformen gegossen. Auch hier die Veredelung der einfachen sandigen Kartoffel zu einem feinen und fragilen Porzellanobjekt.
Barbara Schroeder weist auf den gleichen Ursprung von Kartoffel und Porzellan hin: aus der Tiefe und der Dunkelheit der Erde kommend.
In der gerahmten und geordneten Präsentation der Kartoffeln in der Eingangsarbeit befindet sich eine Kartoffel, die durch ihre Verschrumpeltheit auffällt, nichts von der Anmut der anderen hat. Das ist die Mutterkartoffel, die ihre gesamte Kraft und Energie abgegeben hat an die Nachkommen, die neuen Kartoffeln und nun ausgesaugt und steinhart in der Erde bleibt. Terre à Terre, Erde zu Erde. Nach einem immensen Schöpfungsakt, dem Schaffen neuen Lebens, selbst ausgelebt.
Barbara Schroeder hat sie nicht auf den Acker zurückgeworfen, sondern ihr einen Platz in der Arbeit neben den schönen, neuen Porzellankartoffeln gegeben und sie auch weiß angemalt.
Wenn Sie sich dann links in den Ausstellungsraum begeben finden Sie die Hauptinstallation: 500 weiße Porzellankartoffeln in die Ecke geschüttet, wie zu unseren Kindertagen in den Keller in die Kartoffelkiste. Der Untergrund ist dunkle Erde, an der Wand das Arbeitsgerät des Bauern, Mistgabel und Schaufel.
Gegenüber zwei Comicserien, die damit einen weiteren wichtigen Aspekt der Künstlerin repräsentieren, den Schalk, den Humor, der sich immer wieder in ihren Arbeiten zeigt. Wir sehen zum Einen ihre Hand, die eine Pistole führt und mit Kartoffelschalen schießt und zum Anderen den Abdruck ihres Gebisses in einer amüsanten Kaufrequenz.
Auf dem Weg zurück zur Treppe begegnen Ihnen Fotos die dokumentieren, dass Barbara Schroeder immer Porzellankartoffeln bei sich trägt, egal wo sie sich auf der Welt gerade aufhält.
Exemplarisch möchte ich auf das Foto hinweisen, dass einen alten Bunker aus dem 2. Weltkrieg am Atlantik zeigt. Diese waren von den Deutschen errichtet worden in Erwartung der Landung der Alliierten. Traurige Zeitzeugen Deutscher Vergangenheit. Diese deutsche Vergangenheit war ein Thema, dass Barbara Schroeder besonders in den ersten Jahren ihres Wechsels nach Frankreich beschäftigte.
Heute stehen die hässlichen Bunker nicht mehr auf den Spitzen der Dünen, haben ihre Dominanz verloren. Die Natur, vor allem die ungeheure Macht der Gezeiten hat diese einst als unzerstörbar geltenden Objekte ins Meer gezogen. Eindrückliche Mahnmale an die Menschen, ihre Kräfte und Möglichkeiten nicht zu überschätzen und die Natur zu achten, die empfindlich und verletzlich ist, aber am Ende immer gewinnt.
Barbara Schroeder hat auf dem im Foto abgebildeten Bunker eine ihrer Kartoffelspiralen, ein Kartoffelfeld installiert. Sie selbst sagt dazu, die Kartoffel sei ihr Talismann, ihre Konstellation zum Himmel, ihr Mandala der Meditation, ihre Verbindung zur Mutter Erde.
Wenn Sie die steile Treppe erklommen haben, stehen sie erneut vor einer Bildgeschichte, wieder ist die Künstlerin darin anwesend, diesmal mit einem modernen Kartoffelschälmesser und wieder ist die Kartoffelmutter dabei.
Zum Abschluss kommt Farbe ins Spiel, vier Bilder in der für die Künstlerin typischen Bearbeitungsweise, teils als Collage, verschiedene Materialien und sehr eigene Farben, hier Rost und Orange neben dem Schwarz und Weiß. Wunderschöne Arbeiten, ein Genuss für die Augen.
Barbara Schroeder kam es nie in den Sinn, sich zwischen gegenständlicher Darstellung und Abstraktion zu entscheiden. Hier könnte man meinen, es handelt sich um reine Abstraktion. Nein, die Formen bleiben im Thema, etwa durch Kartoffelschalen,
Diese Perfektion im Einklang von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Form und Farbe sowie ernster und selbstkritischer Auseinandersetzung und Humor, Lebensnot und Lebenslust machen die Kunst von Barbara Schroeder so einzigartig faszinierend und begehrenswert.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Hinweise geben.
Im Eingangsbereich befindet sich ein Videorekorder mit filmischen Einblicken in die Arbeit von Barbara Schroeder und es besteht dort heute die Möglichkeit, eine Flasche der einmaligen Selektion eines Rotweines Grand Maison zu erwerben. Das Etikett ist von Barbara Schroeder gestaltet.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Uwe Dönisch Seidel, 2015
Fotos : Florence Moëgling, Gottfried Evers, Barbara Schroeder